»Wir wollen die bestmöglichen Hebel aktivieren«
Die Liechtensteiner Stiftung Everyone for Climate sammelt über Hotels Gelder für Klimaschutzinitiativen. Direktor Constantin von Dalwigk über verständliche Berührungsängste der Häuser, die Bedeutung der Fürstenfamilie für die Stiftung und die aufwendige Identifizierung der passenden Partnerorganisationen.
Herr von Dalwigk, Fundraising für den Klimaschutz über Hotels ist ein eher ungewöhnliches Modell. Wie kam es dazu?
Everyone for Climate ist eine unabhängige gemeinnützige Stiftung, die 2017 in Liechtenstein mit dem Ziel gegründet wurde, das globale Gastgewerbe nachhaltiger zu gestalten. Die Gründer waren Seine Durchlaucht Max von und zu Liechtenstein und gleichgesinnte Gastgewerbeexperten und Philanthropen.
Und warum konkret eine Stiftung im Bereich Gastgewerbe und Hospitality?
Man hätte sich auch einen anderen Sektor wählen können, aber die Familie hat eben auch Beziehungen zur Hotelindustrie. Die Hotellerie, das Gastgewerbe, der Tourismus leisten ganz allgemein einen nicht gerade kleinen negativen Beitrag zum Klimaproblem. Da kann man vielleicht ein bisschen mehr tun.
Sie schreiben auf Ihrer Website, dass dieser Beitrag in Bezug auf die weltweiten Treibhausgasemissionen bei rund acht Prozent liegt.
Richtig, und das wird auch nicht weniger, wenn man sich anschaut, was vor allem die Luxushotellerie noch in der Pipeline hat, was also in den nächsten Jahren eröffnet werden soll. Die Gäste müssen auch dahin kommen, und meist kommen sie mit dem Flugzeug.
Sie sagen also, dass das Geschäftsmodell der Luxushotellerie die Bemühungen um den Klimaschutz konterkariert?
Nicht unbedingt. Den Hotels fehlt oft einfach die Zeit, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, sie haben eine Menge Themen auf dem Tisch. Das neueste nach Corona ist der Personalmangel. Aber natürlich macht sich das Gastgewerbe wie andere Industrien auch Gedanken um den Klimaschutz. Die Branche tut schon eine Menge.
Wo liegt dann das Problem?
Es gibt viele Angebote an Hotels, sich an lokalen Maßnahmen zu beteiligen. Oft bekommt man dann noch ein Mikropayment oder eine Fee, und der Vermittler verdient auch noch gut daran. Die Hotels sind ein bisschen überfordert mit den vielen Angeboten. Und ihr CoreBusiness ist erst mal nicht, das Klima zu retten, sondern ihre Belegungsraten hochzuhalten.
Und was machen Sie anders als die vielen anderen Anbieter?
Wir haben uns gesagt, wir brauchen etwas, das absolut transparent und glaubwürdig ist, das Zugang zu echten Impact-Organisationen schafft. Es ist wunderbar, ein paar Bäume zu pflanzen oder die Handtücher weniger oft zu waschen. Aber diese Maßnahmen sind im Kern kein großer Hebel. Auf der anderen Seite kann ich sozusagen garantieren, dass hinter uns die bestmögliche Due Diligence stattfindet, um eben die bestmöglichen Hebel zu aktivieren. Und das sind eben die richtigen Organisationen.
Wie stellen Sie denn sicher, dass die gesammelten Spenden auch wirklich effektiv für den Klimaschutz eingesetzt werden?
Mithilfe von und in enger Zusammenarbeit mit LGT Venture Philanthropy. Die Stiftung wurde 2007 von der Fürstenfamilie von Liechtenstein gegründet. Für die Familie ist es seit jeher sehr wichtig, einen messbaren Beitrag zur Lösung von Umwelt- und Sozialproblemen sowie zum Klimaschutz zu leisten. LGT VP hat aber mit dem Core-Business der Familie, dem Privatbankgeschäft, nichts zu tun. Hier arbeiten Menschen, die sich von morgens bis abends um philanthropische Themen kümmern. Bis heute hat LGT VP mehr als 100 Millionen Euro in weltweit führende Impact-Organisationen investiert und an sie gespendet. Gemeinsam wählen wir neue Partner auf Basis einer sehr gründlichen Due-Diligence-Prüfung aus. So stellen wir sicher, dass wir nur mit Organisationen zusammenarbeiten, die ganz auf unsere Klimamission ausgerichtet sind, über gut etablierte und skalierbare Abläufe verfügen, eine solide Unternehmensführung haben und eine hohe Wirkung erzielen, um die gesteckten Ziele auch zu erreichen. Diese Organisationen zu finden, ist wirklich eine Kunst für sich.
Vor allem die großen Organisationen werden aber auch nicht mit jedem zusammenarbeiten.
Stimmt, die sind sehr selektiv, was ihre Partner angeht. Die haben den Standpunkt, dass sie sich nicht ablenken lassen wollen von tausend kleinen Anfragen.
Das klingt nach einem Luxusproblem.
Das ist eher der Arbeitsweise dieser großen Organisationen geschuldet. Die sagen: Wir brauchen große Töpfe, um große Sachen zu machen. Und da ist eben die LGT VP mit ihrem Hintergrund inzwischen ein anerkannter solider Fundingpartner. Darauf setzt auch unsere Stiftung.
Mit welchen Organisationen arbeiten Sie schon zusammen?
Zum Beispiel mit dem Projekt »National Geographic Pristine Seas«. Es setzt sich für die Schaffung von Meeresschutzgebieten ein. Oder mit African Parks, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Management kritischer Ökosysteme in Afrika südlich der Sahara zu verbessern.
Wie genau funktioniert Ihr Fundingmodell?
Wir suchen Partnerhotels, sagen, wofür wir stehen und machen einen Kooperationsvertrag. Es geht um nichts anderes, als dem Gast zu sagen, dass man Partner von Everyone for Climate sei und dass man ihn bittet, einen Euro, einen Schweizer Franken oder ein Pfund pro Nacht zu spenden. Für uns ist wichtig, dass der Gast weiß, wer Everyone for Climate denn eigentlich ist.
Also der Gast zahlt den Euro, nicht das Hotel?
Richtig. Wie gesagt: Wir finden, dass Hotels zum Teil schon eine Menge tun, aber was der einzelne Gast zum Klimaschutz beiträgt, das wissen wir nicht. Der Gast kann damit auch einen kleinen Beitrag leisten.
Mit Transparenz und Glaubwürdigkeit zu mehr Klimaschutz: Constantin von Dalwigk steht für klare Botschaften an Partnerhotels und Gäste und generiert so Spenden, zum Beispiel für Meeresschutzprojekte
»Wir stoßen fast ausschließlich auf Zustimmung. Aber viele warten ab, weil sie eben viele Themen auf dem Tisch haben. Ich kann das nachvollziehen, es ist nicht das Core-Business der Hotels.«
Gibt es da nicht viel Erklärungsaufwand seitens der Hotels?
Es ist eine einfache Idee, aber je tiefer man geht, desto komplexer wird es. Wir sind ja mehr oder weniger gerade in der Launch-Phase, das heißt, wir haben jetzt die ersten Hotels, mit denen wir sprechen und mit denen wir auch diese Kommunikationsbausteine ausarbeiten. Das Hotel muss auch schauen, dass es sein Personal nicht überfrachtet oder in der Hektik etwas Falsches kommuniziert wird.
Aber wie wird das konkret an den Gast kommuniziert?
Es kann über einen kleinen QR-Code beim Check-out gehen, über einen kleinen Text auf der Hotelrechnung oder über ein Pop-up-Fenster für den Mitarbeiter beim Check-out. Ich bin Kommunikations- und Marketingexperte, und ich habe gelernt: Hör auf deinen Consumer, also auf deinen Gast, anstatt gleich die Spielregeln festzulegen. Mir geht es darum, dass möglichst viele Hotels Partner werden. Wie die das Thema an ihre Gäste weitergeben, möchte ich nicht vorschreiben. Ich möchte ihnen Tools an die Hand geben, die ich idealerweise mit ein paar Hotels schon ausgearbeitet habe.
Die Stiftung wurde 2017 gegründet, Sie sprechen aktuell von der Launch-Phase. Beginnt die Akquise der Hotels jetzt erst richtig?
Bei einer solchen Stiftung schauen viele drauf. Da muss alles perfekt laufen. Die Gründer und das Management haben viele Beratungsleistungen erbracht, viele Gespräche geführt, auch mit den Klimaorganisationen. Da gab es viel Vorlauf.
Und dann kam auch noch Corona hinzu.
Da lief erst mal gar nichts, und es gab die Frage, ob Hotels in dem Maße überhaupt wiederkommen. Natürlich haben wir durch Corona sehr viel Zeit verloren. Aber es geht auch darum, dass wir es richtig machen. Das Gute aber ist: Wir haben keinen Druck. Jeder Euro, den wir sammeln, ist super. Wenn wir ihn nicht sammeln, müssen wir uns mehr bemühen.
Wie viele Hotels sind mittlerweile dabei?
Im Moment haben wir zwei Hotels aktiv. Und unser nächster Partner wird ein Vorzeigehotel in Deutschland. Aus meiner Sicht ist das ein strategischer Partner, weil dahinter ein sehr anerkanntes und renommiertes Management steht. Der Vertrag ist aber noch nicht unterschrieben. Wir brauchen jetzt ein oder zwei Hotels, die ein gewisses Standing haben und vorpreschen. Dann kommen die anderen schon nach.
Haben Sie Schwerpunkte auf bestimmte Länder gelegt?
Zunächst suchen wir Partnerhotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es geht jetzt darum, dass wir die richtigen Partner finden, die das Konzept verstehen und es auch mittragen wollen, im Sinne von zu Ende entwickeln, sozusagen als Ankerkunden.
Überwiegt in Ihren Gesprächen die Zustimmung oder die Ablehnung?
Im Grunde stoßen wir fast ausschließlich auf Zustimmung. Aber viele warten ab, weil sie eben viele Themen auf dem Tisch haben. Ich kann das nachvollziehen, es ist nicht das CoreBusiness der Hotels. Es ist auch kein einfaches Thema.
Da müssen Sie offenbar dicke Bretter bohren.
Ich bin zwar, wenn man so will, eine One-ManShow, die das Thema nach außen trägt, so gut wie es mir möglich ist. Ich bin die Spitze des Eisbergs, aber unter der Oberfläche ist das ganze Team, das ganze Know-how der LGT VP. Dagegen kann man eigentlich gar nicht argumentieren.
Das klingt nach einem Pfund, mit dem Sie sehr gut wuchern können.
Ich tue mich sehr leicht, die Gespräche zu finden. Es ist auch grundsätzlich nicht schwer, das Problem und die Lösungen zu erklären. Es gibt nur die Herausforderung der Umsetzung. Ich habe in meinen Gesprächen immer das Gefühl, dass wir zu 90 Prozent am Ziel sind. Die letzten zehn Prozent sind der Teil, wo ich nichts machen kann. Ich kann ja nicht hinter den Tresen springen. Aber wenn erst mal 20 Hotels auf der Plattform sind, davon vielleicht zehn wirklich bekannte, dann ist es für das 21. Hotel viel einfacher.